Neu am Ruder

Dr. Stephan Keller gibt als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt die neue Richtung vor. Im Interview spricht er über sein Rezept für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik.

Text: Matthias Roscher, Fotos: Melanie Zanin

In Wahlkampfzeiten geht es rhetorisch kurz und knapp zu. Kaum auf der Brücke des Riesentankers Landeshauptstadt Düsseldorf angekommen, hatten Sie die Parole ausgegeben: „Wir wollen an allen Fronten schnell Tempo machen.“ Die Stadt befindet sich in schwierigem Fahrwasser. Können Sie das so durchhalten angesichts der vielen erkennbaren Klippen?

Das können wir. Was ich versprochen habe, werde ich auch umsetzen. Wichtig ist mir dabei, alle Beteiligten mit einzubinden. Um im Bild zu bleiben: Nur mit einer guten Mannschaft wird ein Schiff allen Wettern trotzen. Deshalb erarbeiten wir nun gemeinsam mit Politik und Verwaltung die richtigen Konzepte, um unsere Stadt nach vorne zu bringen. Hier werden die relevanten Themen, die ich im Wahlkampf adressiert habe, natürlich eine große Rolle spielen. Doch zunächst stellt auch Corona hohe Anforderungen an uns alle.

Düsseldorf ist im Vergleich zu Berlin, München und Hamburg Deutschlands Pendler-Hauptstadt. Mit dem Versprechen, die von der vormaligen Ampel-Mehrheit eingeführten Umweltspuren abzuschaffen – die Betonung liegt auf baldmöglichst – haben Sie einem Großteil der 400.000 Ein- und Auspendler aus der Seele gesprochen. Von denen sind täglich mehr als die Hälfte mit dem Auto unterwegs. Demnach könnte das Enttäuschungspotenzial groß werden.

Bei gutem Wetter fahre ich mit dem Fahrrad zum Rathaus. Bei schlechtem Wetter stehe ich mit allen anderen morgens im Stau. Da ist der Leidensdruck schon hoch, der Tag beginnt direkt mit Stress. Das werden wir ändern. Wichtig ist ein geordnetes Verfahren, um nachhaltig und konsequent zum Ziel zu kommen. Das bereiten wir gerade vor, und wir werden unseren Vorschlag noch in diesem Jahr vorlegen.

„Von weniger Staus werden alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer profitieren und natürlich auch die Umwelt“

Als Alternative für die Umweltspuren wollen Sie intelligente Ampelschaltungen. Wer sind am Ende die hauptsächlichen Profiteure: die sich extrem genervt fühlenden Autofahrer, der unter Leistungsdruck stehende Öffentliche Personennahverkehr oder die Radfahrer, denen man schon vor Jahren ein fertig konzipiertes, 300 Kilometer langes „Radhauptnetz“ präsentiert hatte?

Von weniger Staus werden alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer profitieren und natürlich auch die Umwelt. Für ein funktionierendes Gesamtkonzept werden wir den ÖPNV stärken und den Radverkehr besser fördern, deshalb werden wir das Radhauptnetz nun mit mehr Tempo ausbauen. Dazu werden wir die Planungs- und Baukapazitäten unter Zuhilfenahme externer Kräfte erhöhen und die Abstimmungsprozesse zwischen Verwaltung, Politik und Fachverbänden maßgeblich beschleunigen.

Das hört sich wie die Aufzählung von Selbstverständlichkeiten an. Das Konzept stammt aus dem Jahr 2014.

Ja, denn ich habe damals als Verkehrsdezernent selbst daran mitgearbeitet und es ist mir als passionierter Radfahrer nach wie vor eine Herzensangelegenheit. Deshalb machen wir hier ja jetzt auch mehr Tempo.

„Bislang nutzen nur ein Prozent der Pendler P&R-Plätze“

In Düsseldorf wurde die klimaneutrale Verkehrswende ausgerufen. Dazu kommt die Einpendler-Stadt nicht ohne ihre Nachbarn aus. Die Park-and-ride-Plätze heute, vornehmlich auf dem eigenen Stadtgebiet, werden kaum ausreichen.

Wir haben zurzeit 2.400 P&R-Plätze in Düsseldorf und ungefähr 5.000 im Umland. Bei circa 200.000 berufsbedingten Einpendlern kann man sich leicht ausrechnen, dass die Plätze nicht ausreichen. Bislang nutzen nur ein Prozent der Pendler diese Plätze – das müssen wir verbessern und dann auch mehr Angebote schaffen.

Und wie bitte?

Die P&R-Plätze müssen leicht und staufrei erreichbar und vernünftig an den ÖPNV angebunden sein. Für Pendler sind S-Bahn, Straßenbahn und Stadtbahn nur dann attraktiv, wenn sie direkt umsteigen können. Moderne P&R-Anlagen verfügen über digitale Anzeigen, Buchungsmöglichkeiten, Einzelhandel und Serviceleistungen – und als Mobilitätshubs auch über Sharing-Angebote für weitere Umsteigemöglichkeiten. Das ist die Zukunft!

Was hätte Düsseldorf den Nachbarstädten für eine gute interkommunale Zusammenarbeit anzubieten?

Wir haben gemeinsame Probleme, das verbindet. Ein Beispiel: Die Staus in unserem Stadtgebiet reichen teilweise bis ins Umland und es sind die Menschen aus dem Kreis Mettmann oder dem Rhein-Kreis Neuss, die im Stau stehen. Da bietet es sich doch an, das als Wirtschaftsregion insgesamt zu lösen. Ich habe bereits im Wahlkampf Signale ausgesendet, dass wir an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit interessiert sind.

Die Verkehrswende ist die Mammutaufgabe für die kommenden Jahre. Was aber geht mehr oder weniger kurzfristig, um den Besuchern der Einkaufsstadt Düsseldorf entspannte, staufreie Wochenenden zu bescheren?

Wir müssen die Verkehrsströme an den Wochenenden besser abwickeln. Unsere Ampeln sind zurzeit noch im Wesentlichen auf den Verkehr montags bis freitags ausgerichtet. Die Ampelschaltungen mengen- und bedarfsgerecht einzurichten, erfordert Programmierungs- und Steuerungsaufwand. Dass wir dem Einkaufsverkehr an Samstagen und offenen Sonntagen Rechnung tragen, ist machbar, und da sind wir gerade dran.

„Die Königsallee wird nur im Dialog und im Konsens mit den Anliegern weiterentwickelt“

Die Königsallee bekommt mit Kö-Bogen I und II, der neuen Schadowstraße und dem geplanten Rheinboulevard zwischen Wehrhahn und Altstadt starke Konkurrenz. Im Raum stehen Vorschläge wie eine komplette oder temporäre Fußgängerzone, ein breiter Radweg auf der Geschäftsseite oder eine stärkere Betonung der Aufenthaltsqualität auf der Kö-Graben-Seite. Was raten Sie der guten, alten Kö?

Ich würde umgekehrt gern den Rat der Kö hören. Wir wollen sie doch gemeinsam in die Zukunft bringen. Ich freue mich, dass die Interessensgemeinschaft sich vorstellen kann, einen Radweg zu integrieren. Eine solch moderne Anlage gehört zu einem Prachtboulevard. Allerdings sollten wir die Radfahrer eher vom Kö-Graben weg auf die Fahrbahn bringen, so wie die Anlieger es auf Kosten der Längstparkplätze vorgeschlagen haben. Der gemischte Rad-/Gehweg, auf dem so viele Fußgänger unterwegs sind und für ein gutes Einzelhandelsergebnis ja auch sein sollen, ist keine gute Lösung.

Und die Autos?

Die Erreichbarkeit mit dem Auto ist für die Geschäfte dort ein wichtiger Standortfaktor, den ich erhalten möchte. Das Wichtige aber ist: Die Königsallee wird nur im Dialog und im Konsens mit den Anliegern weiterentwickelt.

Über dieses Thema haben wir auch im IHK Quarterly 04/2020 berichtet.

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