Text: Werner Grosch, Fotos: Paul Esser
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 20 Prozent weniger Ausbildungsverträge in IHK-Berufen als im Vorjahr wurden 2020 im Bezirk der IHK Düsseldorf abgeschlossen. In absoluten Zahlen ist das ein Rückgang um fast 1.000 Ausbildungsverträge. Eine Entwicklung, die in ganz Deutschland ähnlich verlief, und die naheliegende Gründe hat: Unternehmen in der Krise hielten sich am Ausbildungsmarkt zurück, aber auch viele Schulabgänger warteten ab oder orientierten sich eher in Richtung Studium. Wie sich aktuell die Pandemie auf die Berufsorientierung auswirkt, beschreibt Katharina Falger, Studien- und Berufswahlkoordinatorin am Franz-Jürgens-Berufskolleg in Düsseldorf, eindrücklich: „Wir merken, dass die Schülerinnen und Schüler noch mehr als bisher an die Hand genommen werden müssen. Eine Orientierungslosigkeit, die bei vielen vorher schon da war, ist noch gewachsen.“ Emotionale Folgen, für die Katharina Falger großes Verständnis hat. Denn es fehlten individuelle Kontakt- und Motivationsmöglichkeiten, auch wenn IHK, Agentur für Arbeit und andere Partner digitale Alternativen zu persönlicher Berufsberatung, zu Azubi-Speed-Datings und weiteren Formaten geschaffen hätten.
„Im IHK-bezirk sind auch 2020 Ausbildungsstellen unvbesetzt geblieben“
Jens Peschner, IHK Düsseldorf
Trotzdem ist die Berufswahlkoordinatorin optimistisch für die nähere Zukunft. Alle Beteiligten, darunter auch die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde der Schulen, hätten das Problem erkannt und seien sich einig, im Sinne der Schülerinnen und Schüler zu agieren. Katharina Falger betont zudem, dass es ja durchaus Angebote gebe, sowohl bei Beratung als auch seitens der Betriebe selbst. Leergefegt war der Ausbildungsmarkt auch im Jahr 2020 nicht, bestätigt Jens Peschner, bei der IHK Düsseldorf verantwortlich für Ausbildungsberatung, -stellenvermittlung und -projekte. „Immerhin sind in unserem Bezirk ja auch 2020 noch rund 400 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben.“ Auch er hat viel Verständnis für die jungen Leute – und auch für die Unternehmen. Gleichwohl müsse sich jeder Betrieb der Tatsache bewusst sein, dass ihm in wenigen Jahren Fachkräfte fehlen könnten, wenn er jetzt nicht ausbildet. Deshalb verstärkt die IHK noch einmal ihre Aktivitäten und bietet auch in diesem Jahr virtuelle Beratungen, Webinare, digitale Speed-Datings und vieles mehr an. Ganz neu ist das Format „Blind Date“. Dabei wissen die Gesprächspartner zunächst so gut wie nichts voneinander – es geht erst einmal darum, dass die Chemie stimmt. Fortsetzen wird die IHK Düsseldorf auch die digitalen Bewerbungstrainings, die im Dezember erstmals in Schulen getestet wurden. „Die Lehrerinnen und Lehrer waren sehr dankbar für dieses Angebot“, berichtet Peschner.
Ausbildung statt Studium
Mohamed El Madkouk ist über diese Phase eigentlich hinaus. Er hat schon lange sein Fachabitur in der Tasche, hatte auch schon eine Ausbildung ausprobiert und ist inzwischen Student der Pharmazeutischen Chemie. Aber das Studium ist ihm zu theoretisch, deshalb sucht er jetzt einen Ausbildungsplatz als Chemikant. „Das ist praxisnäher und Karriere im Unternehmen kann man damit auch machen, auch mithilfe von Fortbildungen“, sagt El Madkouk. Er hat sich bei der Stellensuche an die Ausbildungsberatung der IHK gewandt, weil ein Freund von ihm vor ein paar Jahren darüber auch seinen Ausbildungsplatz gefunden hatte. Im Augenblick laufen noch einige Bewerbungsverfahren, ob es klappt, wird sich zeigen. „Chemikant ist eine beliebte Ausbildung“, weiß El Madkouk. Dass die Gespräche mit Unternehmen derzeit ausschließlich virtuell stattfinden, findet er gewöhnungsbedürftig. „Ich bin da zwar immer etwas angespannt, aber es fehlt doch der Kitzel, den es bei einem persönlichen Besuch gibt“, sagt der 24-Jährige.
Auch laufende Ausbildungen müssen natürlich an die Corona-Bedingungen angepasst werden – erst recht in Betrieben, die aufgrund der Pandemie über längere Zeiträume geschlossen bleiben müssen. Dass in der Gastronomie derzeit überhaupt noch Ausbildung stattfinden kann, ist ja schon fast ein Wunder. Für Roland Bürger, F&B Manager im Vabali Spa Düsseldorf, bietet die Krise dennoch Vorteile. Er bildet zwei Köche aus, die im Frühsommer ihre Abschlussprüfung ablegen werden. „Wir haben jetzt Zeit, ihnen Dinge beizubringen, die im Betriebsalltag meist nicht so umfangreich möglich sind wie jetzt, mit etwas extra Spielraum. Das sind zum Beispiel klassische Süßspeisen, die in unserem Angebot zwar vorkommen, aber nicht im Fokus stehen. Oder wir nutzen die aktuelle Situation, um auch mal ein ganzes Tier – zum Beispiel ein Reh – zu zerlegen.“ Weil die große Küche jetzt leer ist, lässt sich prima mit Abstand arbeiten, alle Corona-Regeln werden gewissenhaft eingehalten. Sogar den längst üblichen Online-Schulungen und -Meetings kann Bürger etwas abgewinnen. Sie seien ganz anders effizient, weil jeder Einzelne ohne Ablenkung die Gelegenheit für Fragen und Diskussionen nutzt. Dennoch wünscht sich auch Bürger natürlich den normalen Berufsalltag zurück. Um die Zukunft ist ihm nicht bange. „Letztes Jahr nach dem ersten Lockdown haben wir erlebt, wie sehr die Leute uns und unser Angebot vermisst haben. Dank unserer Social-Media-Kanäle stehen wir im engen Kontakt mit unserer Community und dürfen darauf hoffen, dass der Zuspruch dieses Jahr ähnlich sein wird.“ Und deshalb ist Bürger überzeugt, dass er im Sommer zwei neue Auszubildende einstellen wird. Klare Optionen für die Zukunft nach dem Lockdown.
Die Chancen nutzen
Optionen, die in der Gastronomie derzeit nicht selbstverständlich, in anderen Branchen aber vom Lockdown kaum beeinträchtigt sind. Das gilt für IT-Berufe, aber auch für Versicherungen und nicht zuletzt für Banken. Ein Beispiel dafür ist die Stadt-Sparkasse Haan, die jedes Jahr in der Regel drei bis vier neue Azubis einstellt, dies auch 2020 getan hat und auch 2021 tun wird. Im laufenden Jahr schreibt das Geldinstitut sogar erstmals überhaupt nicht nur Ausbildungsplätze für Bankkaufleute, sondern auch einen als Kaufmann oder -frau für IT-Systemmanagement aus – Ausdruck einer Entwicklung, die vor Corona längst begonnen hatte und die mit der Pandemie einen deutlichen Schub bekommen hat. Die Auszubildenden haben Tablets erhalten, mit denen sie bequem Online-Schulungen wahrnehmen und sich digital auf Prüfungen vorbereiten können. Der Umgang mit entsprechenden Tools wie Microsoft Teams ist Standard geworden. „Die Digitalisierung nimmt ja in der neuen Ausbildungsordnung für Bankkaufleute ohnehin schon großen Raum ein. Wir sehen die Corona-Folgen auch als Chance, diese Entwicklung voranzutreiben“, sagt Gina Paparo, stellvertretende Ausbildungsleiterin bei der Stadt-Sparkasse Haan. Viele Prozesse in der Ausbildung können so noch effizienter gestaltet werden und das sei definitiv auch ein Gewinn für die Zeit nach der Pandemie. Bei aller Digitalisierung müssen die künftigen Azubis sich aber keine Sorgen über mangelnden persönlichen Kontakt machen, betont Gina Paparo: „Wir legen weiter großen Wert darauf, kümmern uns um unseren Nachwuchs und führen viele persönliche Gespräche, aktuell eben mit Abstand im großen Besprechungsraum statt im kleineren Büro.“
Über dieses Thema haben wir auch im IHK Quarterly 01/2021 berichtet.
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