Text: Jürgen Grosche
Noch immer gibt es kein Handelsabkommen, das den harten Brexit, also das Ausscheiden ohne Regeln, verhindern soll (Stand des Beitrags: 7. Dezember 2020). Doch um fünf vor zwölf stocken die Verhandlungen noch immer. Die Unternehmer in der Region Düsseldorf/Mittlerer Niederrhein hatten sich zuvor schon auf alle Szenarien eingestellt, auch darauf, dass die Europäische Union (EU) und das Vereinigte Königreich (UK) keine Einigung finden werden. Das zeigt eine IHK-Umfrage im Oktober. Nur 29 Prozent der Unternehmen rechneten mit einem Erfolg der Freihandels-Verhandlungen. „Die Wirtschaft bereitet sich auf den ‚worst case‘ vor“, kommentierte Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, die Einschätzung der Unternehmer.
Was betroffene Unternehmen jetzt noch tun können
Auch die Landespolitik beobachtet die Entwicklung mit Sorge, wie Dr. Tobias Traupel,
Abteilungsleiter Europa und Recht im NRW Wirtschaftsministerium, beim Webinar „Regelungen zum Warenverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich“ der
IHK Düsseldorf Ende Oktober betonte. Er wolle aber die Hoffnung nicht aufgeben, dass
beide Seiten doch noch eine Lösung finden und zumindest zunächst für Teilbereiche einen
Handelsvertrag vereinbaren.
„Unternehmen müssen sich jetzt vorbereiten, denn wir werden auf jeden Fall den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen“, sagte Rafe Courage, Britischer Generalkonsul in NRW, bei dem Webinar. Es gebe Veränderungen, auf die sich Händler und Transportunternehmen einstellen müssten.Courage verwies auf das Border Operating Model, das Details für den Grenzverkehr zusammenfasst. Der Generalkonsul zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Grenzkontrollen funktionieren werden. UK habe viel in die Infrastruktur investiert. Man sei pragmatisch und flexibel und gewähre Zeit für Anpassungen. Die neuen Grenzkontrollen werden in drei Stufen bis 1. Juli 2021 eingeführt.
Konsequenzen sind unausweichlich
Was genau kommt denn auf die Wirtschaft zu? Bei allen offenen Fragen zeichnen sich auf vielen Gebieten jetzt schon klare Konsequenzen ab. Robert Butschen, Außenwirtschaftsreferent bei der IHK Düsseldorf, macht dies an ein paar Beispielen deutlich. So ist sicher, dass Großbritannien die Chemikalienverordnung Reach (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), die die europäische Chemikalienpolitik harmonisiert hatte, durch ein eigenes System ersetzen wird. Chemische Produkte müssen dann für den britischen Markt neu zertifiziert werden, was für die Unternehmen einen erhöhten Beratungsbedarf und Bürokratieaufwand bedeutet. Die CE-Kennzeichnung, die die Konformität eines Produktes mit EU-Anforderungen verspricht, wird ebenfalls ersetzt. Großbritannien führt eine neue UKCA Kennzeichnung ein (UK Conformity Assessed). Auch das wird von den Unternehmen zusätzlichen Aufwand erfordern. „Außerdem wird Großbritannien einen eigenen Zolltarif einführen“, erklärt Butschen weiter. Für welche Produkte er gilt, steht schon fest; der Tarif ist im Servicebereich „UK after Brexit“ auf den Interneseiten der IHK Düsseldorf abrufbar, ebenso das „Border Operating Model“, ein Handbuch zur Import-/Exportabwicklung ab Januar.
Praktikable Lösungen sind gefragt
Auf Importe nach UK wird künftig eine Einfuhrumsatzsteuer fällig. Britische Importeure genießen eine Übergangsfrist und können die Steuer bis spätestens 1. Juli abführen. Bis dahin könne übergangsweise noch die Steueranmeldung nach bisherigem Verfahren erfolgen. Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs schadet den Geschäftsbeziehungen zwischen den Unternehmen der Region und Großbritannien, das ist schon lange absehbar. Die Unternehmen haben die negativen Auswirkungen bereits gespürt, wie die genannte IHK-Umfrage zeigt. Im Frühsommer hatten noch 37 Prozent der Industrieunternehmen UK als wesentliches Exportziel benannt, im Oktober nur noch 24 Prozent. „Diese Zahlen sind Anhaltspunkte dafür, dass die traditionell gute Partnerschaft unserer Unternehmen mit Großbritannien weiter in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Das wäre mehr als bedauerlich“, sagt Berghausen dazu. „Umso wichtiger ist es, mittelfristig doch noch praktikable Lösungen für den wechselseitigen Warenverkehr und Handel zu finden.“
Hilfe rund um das Thema Brexit
Unternehmen sollten sich über die laufenden Entwicklungen informieren und auch den Rat der IHK-Experten suchen. Die IHK Düsseldorf berät ihre Mitgliedsunternehmen und bietet ihnen zu Fragen rund um den Brexit ein breites Serviceangebot an:
Im Internet-Auftritt der IHK Düsseldorf unter www.duesseldorf.ihk.de
oder telefonisch über ihre Großbritannien-Experten:
Robert Butschen ist unter Telefon (0211) 3557-217, erreichbar und Savas Poyraz unter Telefon (0211) 3557-342.
Über dieses Thema haben wir auch im IHK Quarterly 04/2020 berichtet.
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