Text: Christopher Trinks, Fotos: AHK San Francisco
Sven Thorsten Potthoff ist CEO der Deutsch-Amerikanischen Auslandshandelskammer San Francisco und hat in seiner Funktion die neuesten Innovationen und Trends der Wirtschaft im Westen der USA genau im Blick. Im Interview spricht Potthoff über die Zukunft der Produktion, die Unternehmensreise von NRW.Global Business in Kooperation mit der AHK San Francisco und der IHK Düsseldorf im Herbst und was deutsche Unternehmen aus dem Silicon Valley lernen können.
Herr Potthoff, „Smart Production“ oder „Smart Manufacturing“ gelten als die Zukunft der Fertigung. Was ist damit gemeint?
Die Begriffe umfassen die weitreichende Digitalisierung aller Fertigungsverfahren, von der Fabrikhalle bis hin zu Produktdesign, Lieferkette, Produktion, Vertrieb und Verkauf.
Warum sollten sich Unternehmen jetzt damit beschäftigen?
Die Vernetzung von Maschinen und Anbindung von KI-Lösungen wird in den nächsten zehn Jahren nicht mehr wegzudenken sein. Intelligente Fertigungsprozesse sorgen für eine bessere Kommunikation zwischen den Systemen und arbeiten effizienter, was Kosten spart und für mehr Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit sorgt. Große, globale Akteure wie Siemens, Intel und Tesla haben bereits solche Fabriken der Zukunft gebaut.
Für wen ist die Digitalisierung des Produktionsprozesses besonders interessant?
Alle Branchen, denn der potenzielle Nutzen der Digitalisierung wirkt sich nicht nur auf die Produktionseffizienz aus, sondern auch auf Ausfallsicherheit oder Kosteneffizienz. Neue Produkte und Geschäftsmodelle könnten so erschlossen werden. Gerade für KMUs ist es wichtig, sich mit solch disruptiven Trends zu beschäftigen und zu verstehen, wie sich das bestehende Geschäftsfeld beziehungsweise das Geschäftsmodell in Zukunft verändert.
Die AHK San Francisco hat das Silicon Valley quasi vor der Haustür. Was sind die neusten Technologietrends aus dem Bereich der Produktion?
Noch immer befindet sich hier die weltweit führende Wiege der Innovation. Die Akteure des Ökosystems aus Exzellenzuniversitäten, Start-ups, Investoren und etablierten Unternehmen fördern die Entwicklung von Technologien in einer Schnelligkeit, wie man sie in Deutschland nicht kennt.
Manchmal scheinen diese wie aus einem Science-Fiction-Film zu sein. Mit der Implementierung von KI oder dem Internet of Things sollen Maschinen beispielsweise lernen, sich selbstständig zu reparieren.
Auch an einer effizienteren Energienutzung wird intensiv geforscht. Nicht zuletzt bieten 3D-Druck-Technologien und Augmented Reality neue Möglichkeiten beim Prototyping oder der Produktion auf Bestellung.
Was zeichnet die Innovationskultur dort aus?
Aufgeschlossenheit, Risikobereitschaft und Experimentierfreude – sie bilden den Nährboden für Innovationen. Gerade in Krisenzeiten sollte die Innovationskultur ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, denn innovative Unternehmen sind widerstandsfähiger, reagieren flexibler auf Veränderungen. Innovationen entstehen aber nicht über Nacht, sondern erst nach langjährigem Ausprobieren und Auseinandersetzen. Dafür muss man ausreichend Kapazitäten und Ressourcen schaffen, denn neue Ideen brauchen Zeit und Freiraum. Im Silicon Valley sagt man: „Fail fast, fail often“. Hier wird jeder Fehlschlag als ein Schritt näher zum Erfolg angesehen. Oft ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis die „Zukunftstechnologien” aus dem Valley auch von der breiten Masse adoptiert werden, da sie hier tatsächlich auch schon täglich angewendet werden.
Welche Innovationsmethoden könnten für deutsche Unternehmen nützlich sein?
Ob Design Thinking, Lean Launchpad oder dem Business Model Canvas – die Liste der Methoden ist lang und richtet sich nach Zielsetzung und Innovationsphase. Ganz wichtig ist der Austausch mit den Kunden, Mitarbeitenden und Wettbewerbern. Innovationen finden nicht in einer Blase statt. Das Silicon Valley ist dadurch erfolgreich, weil es als Ökosystem den Austausch enorm fördert. Diesen Spirit wollen wir nach Deutschland transportieren.
Gibt es ein „best practice“ Beispiel aus NRW?
Ein Vorzeigebeispiel ist das Bauunternehmen Goldbeck, weil es sich mit der Digitalisierung der Bauindustrie in vielen Forschungsprojekten intensiv beschäftigt und sich dabei über die Jahre immer wieder selbst innoviert oder weltweit zukunftsweisende Ideen scoutet.
Welchen Zweck verfolgt die Unternehmensreise in die USA, welche NRW.Global Business in Kooperation mit Ihnen im Herbst veranstaltet?
Die Reise führt in das Smart-Manufacturing-Ökosystem des Silicon Valley und hat Informationsgewinnung und -austausch zum Ziel. Es geht darum, neue Geschäftsfelder und Technologien in den Bereichen Künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Prozessautomatisierung und Robotik zu entdecken, oder Strategien aufzusetzen, die bei der digitalen Transformation des Produktionsprozesses helfen. Teilnehmende Firmen sollen dabei praxisnah Ideen für den eigenen Firmensitz entwickeln.
Warum sollten Unternehmen also daran teilnehmen?
Es ist nicht nur eine Inspirationstour im Sinne einer herkömmlichen Firmendelegation. Wir werden auch die Erkenntnisse aus dem Valley in konkrete, eigene Lösungswege umzusetzen.
Dazu dient ein Vorbereitungsworkshop, bei dem wir durch Innovationsmethoden Fragestellungen für die Unternehmen identifizieren, die als Leitfaden bei den Gesprächen mit den Akteuren im Valley dienen. Durch begleitendes Mentoring wird das gelernte Wissen auf die eigene Situation angewendet und bei einem Workshop im Nachgang greifbare Meilensteine als Ziele festgelegt. Unternehmen werden also dazu befähigt, zu Hause in NRW die Zukunft der Fertigung mitzugestalten.
Die Unternehmensreise USA
In Kooperation mit der IHK Düsseldorf und der AHK San Francisco veranstaltet NRW.Global Business, die Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung des Landes Nordrhein-Westfalen, vom 26. bis 30. September eine Unternehmensreise ins Silicon Valley. Anmeldeschluss ist der 26. August. Weitere Informationen und Preise sind auf den Internetseiten von NRW.Global Business zu finden.
Weitere Beiträge zu internationalen Themen im Online-Magazin der IHK Düsseldorf
Fragen, Anregungen oder konstruktive Kritik zum Online-Magazin der IHK Düsseldorf? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail.
Die Redaktion