Text: Susan Tuchel, Foto: Copyright Canva
Der Markenname Zoom steht für Videokonferenzen wie Tempo für Papiertaschentücher oder Pampers für Windeln. Das hat dem US-amerikanischen Softwareunternehmen die zweifelhafte Ehre eingebracht, mit einem neuen Krankheitsbild in einem Atemzug genannt zu werden: Zoom Fatigue. Die Symptome reichen von außerordentlicher Müdigkeit über mangelnde Energiereserven bis hin zur krankhaften Erschöpfung.
„Wissenschaftler aus Stanford haben untersucht, woher das neue Phänomen kommt. Es ist vor allem auf die zunehmende Homeoffice-Arbeit mit Videokonferenzen, -meetings und -calls während der Pandemie zurückzuführen“, sagt Martha Giannakoudi, Inhaberin der Synnous Consulting GmbH.
„Sich selber andauernd zu sehen, ist eine völlig unnatürliche Gesprächssituation“
Martha Giannakoudi, Synnous Consulting GmbH
Durch Abstand, Masken und die Beschränkung von Kontakten haben wir uns sozial voneinander entfernt. Im Homeoffice rücken einem die Kollegen jedoch über Stunden in einer Entfernung von 50 bis 60 cm auf die Pelle. Das erzeugt psychischen Stress, denn die normale Distanzzone liegt bei 1,2 bis 3,6 Metern. „Wir sind durch die Technik gezwungen, Kollegen und auch die Vorgesetzten in die so genannte ‚Intime Zone‘ zu lassen, in der vielleicht auch noch Kinder im Hintergrund toben. Auch sich selber andauernd zu sehen und zu beobachten, ist eine völlig unnatürliche Gesprächssituation und irritiert viele Menschen“, so Giannakoudi. Die Expertin hat mit ihrem Team vieles ausprobiert, um Unternehmen bei der Digitalisierung zu beraten, um auch virtuell teamfähig zu sein und vor allem die menschliche und gesundheitliche Seite im Blick zu behalten.
Die Gemeinschaft fördern
Wie wichtig die zwischenmenschliche Seite für einen guten Workflow ist, hat Christian von Göler von der Best Gruppe erfahren. Das unabhängige Versicherungsmaklerunternehmen hat zunächst eine sechsstellige Summe in die Hand genommen, um seine 45 Mitarbeiter mit entsprechender Hard- und Software auszustatten. Doch schnell wurde klar, dass man auch digital etwas Gemeinschaftsstiftendes braucht.
Und weil im Corona-Jahr 2020 der Betriebsausflug nach Mallorca anlässlich des zehnten Jubiläums nicht stattfinden konnte, gibt es ein monatliches digitales Mallorca-Event unter anderem mit Weinprobe und virtueller Inselreise. Das Mallorca-Format ist ebenso freiwillig wie die wöchentliche, virtuelle Sporteinheit.
„Für uns gehört auch Spaß dazu. Wir nutzen Gestik und Mimik, zeigen auch digital unsere Emotionen.“
Guido Meyer, Geschäftsführer Sita Airport IT GmbH
Auch bei der Sita Airport IT GmbH hat man beizeiten versucht, die Mitarbeiter zu unterstützen. „Wir haben schon vorher sehr viel mit Zoom gearbeitet, aber nicht in dieser Frequenz und nicht mit den Mitarbeitern im operativen Geschäft“, blickt Geschäftsführer Guido Meyer zurück. Das Unternehmen entwickelte eine Guideline für digitale Meetings, ließ seine Führungskräfte schulen, um die Perspektive der Mitarbeiter besser zu verstehen und setzt vor allem auf Lockerheit.
Damit die digitalen Meetings so kurz wie möglich gehalten werden können, werden Präsentationen im Vorfeld verschickt, damit nur noch die wichtigsten Punkte im Team diskutiert werden können.
Gut für die Psyche
Wie im Büroalltag ist auch im Homeoffice wichtig, dass Dinge ohne den Chef stattfinden. Bei der Sita Airport IT GmbH hält man moderierte Treffen ab, in denen die Mitarbeiter ihr Feedback abgeben können. „Zu den Führungsaufgaben in der Pandemie gehört es, Routinen regelmäßig zu überdenken und neue Routinen einzuführen wie sogenannte Breakout Rooms einzurichten, damit sich kleinere Gruppen ungestört treffen können. Auch das virtuelle Kaffeetrinken ist wichtig, ebenso kürzere Zeitfenster für die Meetings und ein meetingfreier Vor- oder Nachmittag“, rät Martha Giannakoudi.
Für die Arbeitgeber ist das mitunter ein echter Spagat. Sie stehen vor der Herausforderung, die Mitarbeiter zu unterstützen und die Unternehmenskultur lebendig zu halten, während sie gleichzeitig Kontrollverlust und zeitversetzte Rückmeldungen in Kauf nehmen müssen. Wer denkt, er sei schon Opfer von Zoom Fatigue geworden, kann selbst an ein paar Stellschrauben drehen, etwa das eigene Videobild für sich verbergen, mit einer externen Tastatur für Abstand sorgen oder zwischen Schreibtisch und Stehpult mit einem kabellosen Headset wechseln.
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